Poker Essays

Strategie, Mindset und Beispiele für Theorie und Praxis

Was ist Equity

In diesem Artikel lernst du das Konzept von Equity kennen. Ich bespreche mit dir was die Equity ist, wofür du sie anwenden kannst, wo die Grenzen in der sinnvollen Anwendung von Equity sind und was der Unterschied zur Gewinnwahrscheinlichkeit ist. Außerdem stelle ich dir zwei Tools zur Berechnung der Equity vor.

Einleitung und Begrifflichkeiten

Die Equity eines Spielers drückt aus, wie viel Prozent des Pots diesem Spieler in einer gegebenen Situation im Schnitt zustehen würden, wenn ausgehend von dieser Situation bis zum Showdown keine Entscheidungen mehr getroffen würden und ähnlich einem All In die Karten der eventuell noch bis zum Showdown verbleibenden Streets ausgeteilt würden.

Die Equity eines Spielers in einer gegebenen Situation ist abhängig von seiner Hand, vom aktuellen Board sowie den tatsächlichen Händen bzw. Ranges der Mitspieler. Da ein Spieler in der Praxis nur Annahmen über die Ranges seiner Gegner treffen kann, kann die Equity entsprechend nur auf Basis dieser Annahmen annähernd bestimmt werden.

Neben der Fähigkeit zum Denken in Ranges sowie der Fähigkeit zur Anwendung von Odds und Outs wird das Verständnis von Equity von vielen Spielern als eine der wichtigsten Voraussetzungen für erfolgreiches Pokerspiel betrachtet.

Im Unterschied zur Gewinnwahrscheinlichkeit, welche ein Maß dafür ist wie häufig du eine bestimmt Hand sowohl am Showdown als auch vor dem Showdown gewinnst, gibt die Equity wieder welcher Anteil am Pot einem Spieler im Schnitt zustehen würde, wenn die Hand ohne weitere Entscheidungen bis zu Showdown gehen und dort gegen die Vergleichshände antreten würde.

Tools zum Bestimmen der Equity

Die Equity einer Hand lässt sich manuell bestimmen, für das praktische Spiel hat es sich jedoch bewährt, Software zu verwenden die auf Equityberechnung spezialisiert ist. Zwei sehr gute Lösungen sind kostenlos bzw. sogar als Open Source verfügbar. In ihrer Funktion als Equity Kalkulatoren liefern beide Tools identische Ergebnisse, welches Tool du benutzt, entscheidest du am besten durch ausprobieren.

Pokerstrategy Equilb

Das Equilab von Pokerstrategy ist vermutlich das Tool, welches von den meisten ambitionierten Pokerspielern zur Equityberechnung verwendet wird. Equilab gibt es in einer kostenlosen Version jeweils für die Varianten Texas Hold’dem Poker und Omaha sowie einer kostenpflichtigen Pro Version. Die kostenlosen Versionen bieten eine unschätzbare Funktionsvielfalt und dürften für die meisten Spieler mehr als ausreichend sein.

Equilab AK vs QQ

Pokerstove

Das erste Tool, mit welchem sich Equities wirklich komfortabel berechnen ließen war Pokerstove. Pokerstove ist heute als Opensource verfügbar – https://github.com/andrewprock/pokerstove . Obwohl Pokerstove in seiner Funktionalität deutlich weniger bietet als Equilab, so darf davon ausgegangen werden, dass Pokerstove das Vorbild für Equilab gewesen ist. Bis heute hat Pokerstove seine Fans und wird von vielen Spielern als Analysewerkzeug gern genutzt.

Pokerstove AK vs QQ

Nutzen der Equity

Das Konzept von Equity hat seinen Nutzen insbesondere in der Betrachtung von All In Entscheidungen sowie der Rangeanalyse und dem Gameplan Design. Auf beide Aspekte möchte ich im folgenden näher eingehen.

All In Entscheidungen

Einen immensen Nutzen bietet die Equity für die Ermittlung des Erwartungswertes in All In Situationen. Stell dir folgende Situation vor, in welcher der BU dem Preflop Starting Hands Chart folgend eine Erhöhung des CO gedreibettet hat und jetzt mit einem all in des SB konfrontiert wird:

Preflop:
BU (100bb) hält T♠ 9♠
2 folds, CO(100bb) raises 3bb, BU (100bb) raises 9bb, SB (25bb) raises 25bb all in, BB folds, CO folds, BU ???

Diese Situation ist optimal für eine Equity Analyse geeignet, da der BU vor der Entscheidung steht, ein All In zu callen oder zu folden. Der SB ist in dieser Partie schon mehrfach als Spieler aufgefallen, der in diesen Situationen (kleiner Stack; 25bb) jede Hand mit zwei hohen Karten sowie jedes Pocket Pair all in stellt.

Basierend auf dieser Beobachtung sieht die Range des SB aus wie folgt:
22+, JT, QT+, KT+, AT+

Die Equity von T9s gegen die SB Range beträgt ≈ 37,4%

Equilab T9s vs 22+, JT, QT+, KT+, AT+

Der Pot ist nach dem All In des SB 38bb groß (3bb vom CO, 9bb vom BU, 25bb vom SB und 1bb vom BB). Ein Call würde den BU zusätzlich zu den 9bb aus der ursprünglichen Erhöhung 16bb kosten (9bb+16bb=25bb). Für einen Einsatz von 16bb hat der BU entsprechend die Chance einen Pot in Höhe von 54bb (=38bb+16b) zu gewinnen. Der Erwartungswert eine Call beträgt daher

EV(call) ≈ 37,4% x 54bb – 16bb ≈ 4,2bb

Entsprechend sollte der BU das All In des SB unter den gegebenen Annahmen callen.

Rangeanalyse und Gameplan Design

Im Poker gibt es zwei Wege eine Hand zu gewinnen. Entweder hältst du die beste Hand am Showdown oder alle deine Gegner steigen vor dem Showdown aus der Hand aus. Für die Analyse von Ranges und das Design eines Gameplan bedeutet dies u.a., dass du tendenziell

  • Hände mit Showdown Value und viel Equity dazu verwenden möchtest den Pot aufzublähen,
  • Hände mit Showdown Value und wenig Equity als Bluff Catcher in Erwägung ziehen möchtest,
  • Hände ohne Showdown Value und viel Equity (insb. Draws) für Semibluffs in Erwägung ziehen möchtest und
  • Hände ohne Showdown Value und wenig Equity aufgeben oder für Bluffs in Erwägung ziehen möchtest.
Grundlagen des Gameplans bzgl. Showdown Value und Equity

Für das Design deines Gameplan bedeutet dies, dass du Hände aus allen vier Kategorien in deiner Range haben möchtest. Denn während auf den unteren Limits deine Mitspieler vermutlich gar nicht bemerken werden wenn du nur starke Hände mit viel Showdown Value und massig Equity gepaart mit eine paar starken Draws spielst, wirst du gegen stärkere Gegner das Problem bekommen, dass sie dich nicht mehr ausbezahlen wenn klar ist, dass du nur starke Hände hältst. Wie genau du einen Gameplan entwirfst, geht über den Rahmen dieses Kapitels hinaus, ich empfehle dir jedoch möglichst frühzeitig deine eigenen Ranges auf Ausgewogenheit bzgl. der Equity-Gruppen hin zu überprüfen.

Grenzen von Equity

Equity ist ein extrem nützliches Konzept welches jeder Pokerspieler beherrschen sollte. Doch zum Verständnis von Equity gehört auch das Verständnis der Grenzen von Equitybetrachtungen.

Grenzen aufgrund unvollkommener Information

Poker ist ein Spiel mit unvollkommener Information. In der nachträglichen Analyse einer Hand lassen sich natürlich sehr gut Hand gegen Hand Analysen anfertigen, diese spiegeln jedoch nicht die Spielwirklichkeit wider. Während der Hand sind die Karten der Gegner unbekannt, das heißt, es müssen Annahmen über die gegnerischen Ranges getroffen werden. Daraus folgt, dass die Ermittlung der Equity während einer Hand immer auf Annahmen beruht und deshalb auch nur eine angenommene Equity sein kann. Unterschiedliche Mitspieler haben in vergleichbaren Situationen unterschiedliche Ranges, so dass deine Equity gegen einen Maniac der dich all in setzt völlig anders aussehen kann als wenn dich ein solider Spieler oder ein ängstlicher Spieler all in setzen.

Grenzen in der Realisierung der Equity

Die Equity liefert einen Wert, der per Definition die späteren Entscheidungen in einer Hand nicht berücksichtigt. Entsprechend wichtig ist es zu durchschauen, in welchen Situationen und mit welchen Ranges sich die eigene Equity am besten realisieren lässt. Es hilft dir nichts, wenn du regelmäßig einen Equity Vorteil hast, jedoch nicht die Fähigkeit besitzt, die richtigen Entscheidungen zu treffen, diesen Vorteil auch zu realisieren. Am einfachsten lässt sich die eigene Equity gegen hyper passive Spieler (die nie selbst setzen) und gegen hyper aggressive Spieler (die nur das all in kennen) realisieren. Doch da diese beiden Spielertypen auch auf den niedrigsten Limits sehr selten anzutreffen sind, ist es unerlässlich an den eigenen Strategien gegen die Masse der Spieler zwischen diesen beiden Extremen zu arbeiten, zu lernen, die anderen Spieler richtig einzuschätzen und idealerweise seinen Gameplan so zu gestalten, dass er auch gegen starke und kompetente Spieler bestehen kann.

Grenzen aufgrund schlechter Playability

Es gibt Hände, welche tendenziell viel Equity haben, die jedoch schwer zu spielen sind (s. Realisierung der Equity). Hierzu gehören insbesondere die sogenannten Baby Aces, also A2-A9. Am Flop triffst Du mit diesen Händen entweder nichts (in der Mehrzahl der Fälle) oder Top Pair mit schwachem Kicker bzw. second oder third Pair mit Top Kicker. Alle drei Situation sind geeignet, dich vor schwere Entscheidungen zu stellen. Wenn du nichts getroffen hast, könntest du dennoch die beste Hand halten, musst aber auf Aggression deiner Gegner aufgeben. Hast du Top Pair mit schwachem Kicker getroffen, werden dich deine Gegner nicht ausbezahlen, außer sie halten eine bessere Hand als du. Und wenn du 2nd oder 3rd Pair getroffen hast, weißt du genauso wenig woran du bist und wirst es schwer haben, gute Entscheidungen zu treffen.

Grenzen aufgrund der Stack Size

Je kleiner der Stack, um so wichtiger wird die Equity; je größer Stack um so wichtiger wird die Playability. Wenn du oder deine Mitspieler mit kleinem Stack spielen und jede Entscheidung auf ein All In hinausläuft, dann ist die Equity die vermutlich wichtigste Kenngröße für dein Spiel. Doch je größer die Stacks im Verhältnis zu den Einsätzen sind, um so wichtiger ist es, dass deine Hände auch eine gute Playability besitzen und du somit auch später in der Hand gute Entscheidungen treffen kannst.

Zusammenfassung und Ausblick

Du hast in diesem Artikel da Konzept der Equity kennengelernt. Ich empfehle dir, Zeit in das Verständnis von Equity zu investieren und dieses mit Hilfe der Tools von Pokerstrategy oder Pokerstove zu vertiefen. Auf diese Weise wirst du ganz natürlich den Umgang mit Equity erlernen, die Fähigkeit erlangen, Equity im Spiel einzuschätzen und deine Ranges bzw. deine Gamelan unter Berücksichtigung von Equity und Playability zu gestalten.